Aus der BZ vom 13.09.2017:
Die seltenen Wiedehopfe fühlen sich am Tuniberg offensichtlich wieder wohl: In dieser Brutsaison wurden 97 Jungvögel aufgezogen.
TUNIBERG (BZ). Insgesamt 15 Wiedehopf-Brutpaare haben in diesem Jahr am Tuniberg 97 Jungvögel aufgezogen. Das wertet Claus G. Krieger aus Tiengen, der Leiter des Naturschutzbund-Wiedehopf-Projekts am Tuniberg, als Beleg, dass sich trotz der Wetterkapriolen dieses Jahres ein stabiler Bestand der seltenen Vogelart etabliert hat.
Schon beim ersten Wärmeeinbruch im Februar, so Krieger, seien nach dem relativ milden und trockenen Winter die ersten Zugvögel – etwa Störche – aus ihren südlichen Überwinterungsgebieten in die Region zurückgekehrt. Die ersten Wiedehopfe wurden am 18. März gesichtet – kein Wunder, denn der März war überwiegend sonnig und warm, teils sogar schon mit Temperaturen über 20 Grad Celsius. Die ankommenden Wiedehopfe begannen denn auch früher als in den Vorjahren mit ihrem Brutgeschäft. Nach weiteren warmen Tagen gab es fünf Frosttage mit bis zu minus 7 Grad Celsius vom 21. bis 25. April. Das hatte nicht nur fatale Folgen für den Wein- und Obstanbau, auch einige der Frühbrüter erfroren.
Die folgenden drei Monate waren dann geprägt von wenig Regen und Temperaturen von bis zu 32 Grad Celsius, so dass die Brutperiode trotz der Verluste durch den frühen Kälteeinbruch von Krieger letztendlich als erfolgreich bewertet wird. Im Gegensatz zu den kühleren und regnerischeren Frühlingsmonaten der beiden Vorjahre gab es im Juni sogar noch einige erfolgreiche Zweitbruten. Insgesamt erblickten in diesem Jahr 97 Jungwiedehopfe das Licht der Welt (im Vorjahr 102) und sind inzwischen auf dem Weg in den Süden, während sich die etwa 30 Elterntiere noch etwas Zeit lassen, um später im Gefolge mit den Bienenfressern, Bluthänflingen und anderen Zugvögeln in südlichere Gefilde zu ziehen.
Kriegers Bilanz zeigt, dass in sieben Bereichen am Tuniberg (Waltershofen, Opfingen, Tiengen, Munzingen, Gottenheim, Merdingen sowie Nieder- und Oberrimsingen) zusammen 60 Nisthilfen installiert wurden, von denen 15 von Brutpaaren genutzt wurden. Die meisten Jungvögel (32) wurden in Merdingen aufgezogen, gefolgt von Munzingen (30) und Gottenheim (23).
Seit drei Jahren werden stabil rund 30 Wiedehopf-Elterntiere am Tuniberg gezählt. „Natürlich wäre es bei dem Überangebot von 60 Nisthilfen wünschenswert, dass sich noch mehr Wiedehopfe ansiedeln“, schreibt Krieger in seiner Jahresbilanz: „Doch der Insektenmangel infolge der intensiven Bewirtschaftung und der zunehmenden Trockenheit begrenzt das Nahrungsangebot der Insektenfresser und damit ihre Überlebenschance.“ Erfreulich sei, dass die Anstrengungen zum Wiederheimischmachen von heutzutage seltenen Pflanzen wie Kuhschelle, Orchideen und Milchstern sowie Tieren wie Störchen, Bienenfressern, Kiebitzen, Wildbienen und eben den Wiedehopfen trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen erfolgreich seien. Das wäre ohne eine wachsende Sensibilität für die Belange des Naturschutzes sowie ohne die zunehmende Kooperationsbereitschaft der Winzer und Landwirte vor Ort bei der naturnahen Pflege und Bewirtschaftung der Böschungen, Rebflächen, Brache und Wegränder nicht möglich. Mit dem Erhalt ihrer noch verbliebenen „Rebhüsli“ (Hütten in den Reben) gäben sie den Halbhöhlen- und Höhlenbrütern einen wertvollen Unterschlupf als Ersatz für die abgeholzten Obstbäume, die einst die natürlichen Bruthöhlen boten. Der Wiedehopf danke es ihnen nicht nur durch sein exotisches Erscheinungsbild. Er trage durch seine Anwesenheit zur natürlichen Schädlingsbekämpfung bei, da er sich fast ausschließlich von Insekten wie Feldgrillen, Maulwurfsgrillen, Engerlingen sowie verschiedenen Raupenarten ernährt. Das fast ganzjährige Mulchen und Grubbern zwischen den Rebzeilen und der weitgehende Verzicht auf Insektizide komme den Wiedehopfen sehr zugute.
Leider würden Wiedehopfe immer wieder durch Hobby-Fotografen beim Brutgeschäft gestört. Die fotogenen Vögel seien aber sehr scheu. Wie in den Vorjahren mahnt Krieger: „Sie verlassen bei Störung, insbesondere in der Zeit der Belegung der Bruthöhle und Eiablage, ihre Bleibe sofort auf Nimmerwiedersehen.“ Deshalb solle man die Vögel in der Nähe ihrer Nistorte während der Brutzeit von Ende März bis Ende Juli nicht stören. Als Helfer und Unterstützer beim Tuniberger Wiedehopf-Projekt nennt Krieger vor allem Franz Nagel aus Opfingen und Herbert Menner aus Merdingen.
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